Ex-Fußball-Profi Helmut Hermann trainiert Nachwuchstalente beim FC Hammerau
Von Hans-Joachim Bittner
Hammerau. „Der Jürgen Kohler war mein bester und härtester Gegenspieler, knüppelhart, aber nicht unfair“, erzählt Helmut Hermann im Gespräch mit der Heimatzeitung. „In der A-Jugend habe ich ihn noch schwindlig gespielt. Das war aber schnell vorbei. Dass er später Weltmeister wurde, wunderte mich überhaupt nicht“, sagt der Wahl-Oberndorfer weiter. Der heute 57-Jährige war selbst Fußball-Profi, kam beim KSC auf 159 Einsätze, 129 davon in der Bundesliga. Seit März versucht er, die Hammerauer Fußballer – im A-Junioren- und im Erwachsenen-Bereich – besser zu machen. FC-Coach René Pessler, ein Arbeitskollege Hermanns bei der Pensionsversicherungsanstalt in Salzburg, fragte ihn einfach mal, ob er ab und zu ein Training übernehmen wolle. Da musste der gebürtige Karlsruher nicht lange überlegen, obwohl er gut sieben Jahre nichts mehr „aktiv“ mit dem runden Leder zu tun hatte. „Ich hielt mich aber, was die aktuellsten Trainingsmethoden betrifft, stets auf dem Laufenden.“ Nach seiner Profi-Karriere trainierte er 15 Jahre lang talentierte Nachwuchskicker in seiner Fußballschule im Großraum Karlsruhe. 2017 war die Luft jedoch raus: „Täglich fünf Stunden am Platz, es war genug, man wird älter“, schmunzelt er.
Seine eigene Laufbahn musste Helmut Hermann bereits im Alter von nur 25 Jahren schmerzlich aufgeben: Sein letztes Spiel bestritt er am 29. November 1991 in Dortmund, gegen eine große Mannschaft mit Stefan Klos, Thomas Helmer, Stéphane Chapuisat oder 1:0-Siegtorschütze Flemming Povlsen. Für den am Ende linken Verteidiger, damals wie heute rar, war die Karriere nach 13 Minuten in dieser Partie vorbei, weil er sich in einem Zweikampf mit Michael Rummennige eine weitere schwerwiegende Verletzung zugezogen hatte. „Diesmal erlitt das linke Knie einen irreparablen Totalschaden.“ Im Hinspiel hatte „Helle“ beim 2:2-Remis im Rahmen des Saisonstarts 1991/92 das frühe 1:0 (3.) gegen den BVB erzielt. Das rechte Knie war schon seit seinem 18. Lebensjahr lädiert, da musste er schon mal eineinhalb Jahre pausieren, im besten Entwicklungsalter also. „Heute würde sowas anders laufen, da jedes Team fünf Physiotherapeuten hat. Wir hatten damals einen und dazu einen Masseur, das war’s.“ Nicht nur eine Sache, die sich massiv verändert hat. „Ich konnte damals in Ruhe durch Karlsruhe laufen, ohne erkannt zu werden. Das geht bei den heutigen Profis, selbst unbekannteren, die weniger zum Einsatz kommen, nicht mehr. Dank der Medien kennt der Fan mittlerweile jedes Gesicht.“
Helmut Hermann hadert jedoch nicht mit dem, was ihm passiert ist: „Freilich kam das Ende viel zu früh. Aber das, was ich in diesem Sport erlebt habe, ist unglaublich. Darauf schaue ich gern zurück. Wer erreicht schon das, was ich erreicht habe“. Als Kind verbrachte er komplette Tage auf einem 20 x 40 Meter-Feld, große Zäune drumherum, direkt gegenüber der Wohnung seiner Eltern. Die Mutter musste ihn rufen, wenn‘s dunkel wurde, damit er heimkam. In zehn Sekunden war er über die Straße. „Es gab nur Fußball für mich. Das war mein Leben. Das ist bei den Kindern heute oft anders“, spricht er die Veränderung in unserer Gesellschaft an: „Es ist nicht mehr so einfach, die jungen Menschen für eine zentrale Sache zu begeistern. Weil es so viele reizvolle Angebote gibt.“ Darum hätten viele Mannschaften heute das Problem, ihr Niveau früherer Zeiten zu halten – weil es im Grunde immer Personalsorgen gibt. „Wenn bei uns Saison war, war Saison. Da gab‘s keine Gedanken an etwas anderes. Heute fahren fünf Spieler erstmal in den Urlaub, wenn‘s losgeht“, spricht Hermann ein bekanntes „Phänomen“ an. „Das ist ein Teamsport. Wenn nur fünf Leute ins Training kommen, macht es keinen Sinn – und Spaß schon gar nicht.“
Mit Weltmeistern
zusammengespielt
Hermann lebte von der Geschwindigkeit, wie er sagt, nicht von der Beweglichkeit – mit 80 Kilo bei 1,79 Metern Körpergröße war er „robust“. Er spielte mit und vor allem gegen die Besten der Besten, zumindest national: Beim KSC im Team mit Oliver Kahn, Mehmet Scholl, Oliver Kreuzer, Michael Sternkopf. Unter Coach Berti Vogts feierte Hermann zusammen mit den späteren Weltmeistern Bodo Illgner und Stefan Reuter 1984 den U16-EM-Titel – jedoch ohne Einsatz. In der Saison 1986/87 war er am Bundesliga-Aufstieg seines KSC mit dem 3:2-Siegtor drei Spieltage vor Schluss gegen Hannover 96 maßgeblich beteiligt. „Zu dieser Zeit war ich meist Einwechselspieler“. Dennoch kam der Stürmer auf insgesamt 25 Tore in Liga eins und zwei Treffer im DFB-Pokal – beide beim 4:3-Achtelfinal-Sieg im Dezember 1988 bei den Bayern, vor nur 7000 Zuschauern im Olympiastadion.
Einmal pro Woche fährt Helmut Hermann nun die rund 20 Kilometer von Oberndorf (vor gut drei Jahren kam er beruflich bedingt nach Österreich) zum FC Hammerau in der Gemeinde Ainring. „Das ist genug, mehr muss nicht sein.“ Wie lange seine Zeit beim BGL-„Club“ andauern wird, ist offen. „Ein Vorteil: Ich muss das nicht machen, ich darf es machen. Und das total gern, mit viel Leidenschaft. Es macht riesigen Spaß, mit diesen lernwilligen Menschen zu arbeiten. Weil sie unglaublich schnell lernen. Sie haben einen Riesenrespekt vor mir, das ist schon sehr ungewöhnlich und gibt es nicht überall“, sagt der Bayern-Fan – Hermanns Vater ist in Oberviechtach, Landkreis Schwandorf, geboren. In seiner A-Junioren-Zeit spielte er bereits beim KSC und schlug mit seinen Teamkollegen im Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft die Gleichaltrigen des FC Bayern mit 5:0. Nach der Partie kam der Anruf von Uli Hoeneß, das war Mitte der 1980er-Jahre. „Da wusste ich überhaupt nicht, was ich damit anfangen sollte. Das kam für mich viel zu früh“, lacht er heute darüber. Für den Heimatverbundenen kam ein Wechsel, weg aus seinem geliebten Karlsruhe, nie infrage. Wenig später saß Leverkusen-Manager Rainer Calmund bei ihm daheim auf der Couch, mit einem fertigen Vertrag im Koffer: „Ich habe mir damals gesagt, da stürmt ein Bum-kun Cha. Also was soll ausgerechnet ich dort? Ich wollte mich halt erstmal beim KSC etablieren, zu viele scheiterten bei den großen Vereinen am Ende.“
Helmut Hermann, der enorm schnelle Mittelstürmer mit dem starken linken Fuß – damals extrem gesucht –, erlebte in den Achtzigern komplett andere Zeiten. Er verdiente beim KSC, zu dem er 1982 von seinem Heimatverein Karlsruher FV nach „einer super Jugendzeit“ gewechselt war, dennoch ordentliches Geld. Freilich nicht mit heute vergleichbar: „Ich hatte, ganz ehrlich, 3000 Mark (heute 1500 Euro) Grundgehalt im Monat. Alles weitere war leistungsabhängig: Ob wir gewonnen oder verloren haben, die Einsatzzeiten. Wer wenig gespielt hat, musste schauen wo er bleibt. Oder – kein Scherz – wieviele Zuschauer im Stadion waren. Da gab’s pro Zuschauer tatsächlich Pfennigbeträge für uns. Ausgesorgt habe ich damit freilich nicht.“
Von der Landesliga bis
in die A-Klasse gecoacht
Zuerst machte Hermann Leichtathletik, Sprints. Bei einem Urlaub im Schwarzwald kickte er als kleiner Junge ein wenig vor dem Hotel. Dabei sah ihn der damalige Jugendleiter des Karlsruher FV und brachte ihn und seinen Bruder zum Vereinsfußball. Beim KFV blieb er bis zum letzten B-Junioren-Jahr. Die Vergleiche gegen die Gleichaltrigen des großen KSC verliefen damals stets auf des Messers Schneide: „Es gab im Grunde keine Niveau-Unterschiede“. Er wurde schließlich Profi, wenngleich er vorher nie daran gedacht hatte: „Ich wollte einfach nur spielen.“ In der 2. Bundesliga arbeitete er als Amateur anfangs „nebenbei“ noch ganz normal.
Nach der aktiven Karriere coachte Hermann im Karlsruher Raum Herren-Teams von der Landesliga bis zur A-Klasse. Wenn er jetzt über die ergänzende Trainingsarbeit mit den Talenten des FC Hammerau spricht – ist Chefcoach René Pessler verhindert, übernimmt er schon mal die Erste – gerät er rasch in sein Element, erzählt leidenschaftlich. „Früher war ich zu euphorisch, habe die Leute vielleicht überfordert. Daraus habe ich gelernt, fange mit leichten Warmmach-Übungen aus dem Programm des FC Chelsea oder des FC Barcelona an, die sich in der Schwierigkeit steigern. Das können die Spieler hier, das ist überhaupt kein Problem. Alle sind mit Eifer dabei, selbst wenn es runterschüttet, das ist völlig egal“, zeigt sich Hermann vom Einsatz der FCler beeindruckt. Technik in erster Linie, Beidfüßigkeit, Finten, Torschusstraining, Koordination, der Ausbau der Fähigkeiten und eine Menge Spaß am Fußball stehen in seinem Future-Team-Coaching für A-Junioren und ein paar jüngeren mit Potenzial nach oben im Fokus. Die G- bis D-Junioren werden durch die Münchner Fußballschule weiterentwickelt. Diese Förderung ist seit rund fünf Jahren fester Bestandteil des Gesamtkonzepts in Hammerau. Das Ziel: Talentierte Spieler auf dem Weg in den Herrenbereich zu begleiten: „Das ist für die meisten, die ganz großen Talente ausgenommen, immer ein großer Schritt. Letztlich bekommst du alle Erfahrungswerte, zum Beispiel wann laufe ich in die Tiefe, wann bleibe ich weg, wie gehe ich in den Zweikampf, nur im Spiel. Denn im Training ist alles einfacher als in einem Pflichtspiel“, schmunzelt Hermann, der nach seiner Karriere unter anderem eine Umschulung zum Sport-Journalisten absolvierte.
Bilder:
Helmut Hermann (vorn) im Trikot des damaligen Zweitligisten Karlsruher SC am drittletzten Spieltag der Saison 1986/87 gegen Hannover 96: Dieser Kopfball des damals 20-Jährigen flog über den Kasten, später erzielte er aber noch den wichtigen 3:2-Siegetreffer, und der KSC stieg als Meister in die Bundesliga auf.
– Foto: Archiv Hermann / Repro Bittner
Ex-Fußball-Profi Helmut Hermann trainiert einmal die Woche talentierte Nachwuchs-Fußballer beim FC Hammerau.
– Foto: Bittner
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